Hallo!

Soeben las ich im Online-Spiegel: der SPIEGEL-Verlag und die Axel Springer AG kehren zur klassischen Rechtschreibung zurück. Ein mutiger Schritt, wie ich finde, und ein folgenträchtiger ohnehin. Die Süddeutsche Zeitung überlegt, zu folgen, andere Verlage wollen auch nachziehen. Die Duden-Redaktion hält fest an den neuen Regeln; natürlich: die nächste Auflage des Dudens ist auch schon gedruckt und müßte nun verworfen werden.

Ich bin aufgewachsen als ein Kind der alten Rechtschreibung, mußte nach der Grundschule nach den neuen Regeln schreiben, lebe seitdem sehr gut mit einem Gemisch aus alten und neuen Regeln. Die neue Regel fürs Esszett finde etwa sehr schön. Nach wie vor häßlich finde ich die neuen Regeln der Getrennt- und Zusammenschreibung, der Groß- und Kleinschreibung und auch "Vereinfachungen" der alten Kommaregeln.

Nächstes Jahr muß ich mein Abitur nach der neuen Rechtschreibung verfassen; mein Jahrgang damit der erste. Schreibe ich nach der klassischen deutschen Rechtschreibung, wie nun schon die Mehrzahl der deutschen Zeitungen wieder schreibt, werden mir Fehler angerechnet. Solche Fehler sind keine und versteht keiner.

Lehrer haben die neue Rechtschreibung nie verstanden. Sie waren sogar zu dämlich, die alten Regeln zu befolgen.
Ich erinnere mich an eine Episode aus dem Deutschunterricht: wir bekamen Aufsätze zurück, meine Lehrerin bemerkte einen Fehler: im Aufsatz habe ich "auf das" zu "aufs" verkürzt. Sie schrieb mir ihre Variante daneben: "auf's". Gelacht, gemäkelt, und ich meldete das. Sie wollte mir nicht glauben, daß man "aufs" schon seit jeher zusammenschreibt, ohne Apostroph. Zu meiner Verteidigung durfte ich einen Duden holen. Ich zeigte ihr die Stelle, und ihr Mund öffnete sich weit. Die Zusammenschreibung ist in diesem Fall nicht nur möglich, sondern sogar Pflicht. Sie hat mir also etwas richtiges angestrichen und erst durch ihre Korrektur einen Fehler daraus gemacht.
Seitdem verstehe ich mich mit dieser Lehrerin blendend, wir haben jeden Streit begraben. Sie ist sogar eine, die die neuen Regeln nie befolgte. Sie schrieb schon immer nach den alten Regeln.

In der Sekundarstufe II deutscher Gymnasien steht Rechtschreibung übrigens nicht mehr zur Debatte, stattdessen lernen die Schüler Literatur kennen; auch wichtig, aber ist es nicht wichtiger für ihre Zukunft, daß sie regelkonform schreiben können? Ich kann versichern, daß das die wenigsten tun. Die wenigsten kennen den Unterschied zwischen "dass" bzw. "daß" und "das", schreiben überall, wo ein Relativpronomen hingehört, fröhlich "dass".

Für Schüler mag dieser Rückschritt Lernarbeit bedeuten: nämlich die alten Regeln wieder ins Gedächtnis zu rufen, oder sie erst zu lernen -- für die älteren unter uns bedeutet dieser Rückschritt jedoch einen Fortschritt. Wir tun das, was die Rechtschreibreform wollte; wir führen die Fäden zusammen und vereinheitlichen die Rechtschreibung wieder.

Den Band meiner "Neuen deutschen Rechtschreibung" kann ich in wenigen Monaten sicher im Bücherschrank verstauben lassen. Ich freue mich auf eine Neuregelung der alten deutschen Rechtschreibung, auf eine neue Esszett-Regelung, auf ein einheitliches Deutsch.

(Mußte mich ganz schön anstrengen, damit die alten Esszett-Regeln in diesem Beitrag greifen.)