HEMIcuda
11.12.03, 15:09
Stop and go im Lichtverkehr
Mit Hilfe von Gas halten amerikanische Physiker Laserstrahlen an - Schnelle Schalter im Quantencomputer
von Thomas Bührke
Cambridge - Nichts ist schneller als das Licht. So lehrt es die Relativitätstheorie. Doch gilt dies nur im absoluten Vakuum. Im Innern von Gasen oder festen Körpern verlangsamt sich ein Lichtstrahl und kann auch gänzlich stecken bleiben. Allerdings würde er nie wieder von selbst loslaufen.
Was in der Natur unmöglich ist, gelang jetzt einer Forschergruppe um Mikhail Lukin von der Harvard-Universität in Cambridge (USA), wie sie in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Nature" berichten.
Licht rast mit 300 000 Kilometern pro Sekunde durch ein Vakuum. In Medien wie Glas oder Wasser ist die Lichtgeschwindigkeit zwar nur noch etwa halb so groß, für unser Alltagsleben jedoch nach wie vor unvorstellbar hoch. Einen Lichtstrahl bis auf das Tempo eines Fußgängers abzubremsen gelang erstmals Lukins Institutskollegin Lene Vestergaard Hau im Jahre 1999. Das trickreiche Verfahren erfordert viel Geschick. Zunächst kühlte die Physikerin Natrium-Gas bis nahe an den absoluten Nullpunkt. Normalerweise wäre die winzige Natrium-Wolke für Licht undurchlässig. Hau regte jedoch mit einem Laser die Atome darin so an, dass diese nun einen zweiten Strahl durchließen und erheblich bremsten. Mit anderthalb Kilometer pro Stunde erzielte Hau die bis dahin geringste gemessene Lichtgeschwindigkeit.
Vor zwei Jahren gelang es dann Hau und Lukin unabhängig voneinander, Licht anzuhalten und wieder loslaufen zu lassen. "Lichtbremse" ist wieder ein Gas. In dieses senden die Forscher gleichzeitig zwei Laserstrahlen. Einer von ihnen, der Kontrollstrahl, regt die Atome so an, dass diese den anderen, den Signalstrahl, durchlassen. In dem Moment, in dem beide im Gas sind, wird der Kontrollstrahl abgeschaltet. Sofort wird das Medium für den Signalstrahl undurchsichtig, so dass dieser darin stecken bleibt. Er überträgt aber seinen Zustand auf die Atome, welche die Information eine gewisse Zeit lang speichern. Bevor die Atome ihr "Gedächtnis" verlieren, lesen die Physiker den Atomspeicher wieder aus, in dem sie erneut einen Kontrollstrahl hineinschicken. In diesem Moment entsteht ein neuer Signalstrahl mit den Eigenschaften des ursprünglichen und verlässt das Gas. Lukins jüngstes Experiment läuft in der ersten Phase so ab wie das vor zwei Jahren. Wenn der Signalstrahl im Gas gefangen ist, schicken Lukin und Kollegen aber zwei Laserstrahlen aus entgegengesetzten Richtungen in das Medium hinein.
Die Wellen dieser beiden Strahlen überlagern sich im Innern und bilden ein Gitter aus abwechselnd hellen und dunklen Bereichen. Diese wirken wie winzige Spiegel, zwischen denen der Signalstrahl gefangen bleibt. Dies funktioniert für einige hunderttausendstel Sekunden. Dann schaltet man einen der beiden Laser ab, und der Signalstrahl läuft in Richtung des noch leuchtenden Lasers wieder los. Auf diese Weise lässt sich das Laserlicht auch rückwärts, also entgegen der ursprünglichen Einstrahlrichtung, aus dem Medium wieder herausholen.
In diesem Fall funktioniert das Gas ähnlich wie ein Spiegel. Allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass sich die Aufenthaltsdauer des Lichts im Medium durch Ein- und Ausschalten der Laser kontrollieren lässt. "Das Interessante an diesem neuen Experiment ist, dass man jetzt tatsächlich Licht zum Stillstand gebracht und auf engstem Raum eingesperrt hat. In den Experimenten vor zwei Jahren war "lediglich" der Zustand des Lichts gespeichert", erklärt Professor Michael Fleischhauer, der theoretische Physik an der Universität Kaiserslautern lehrt und zusammen mit Lukin die theoretischen Grundlagen zu diesem Phänomen entwickelt hat.
Prinzipiell besteht die Möglichkeit, diese Methode zu schnellen Schaltern beispielsweise in optischen Datenspeichern oder einem zukünftigen Quantencomputer einzusetzen. "Am wichtigsten ist aber vielleicht, dass es schlicht faszinierende Wissenschaft ist", meint Marlan Scully von der Universität Princeton.
Artikel erschienen am 11. Dez 2003 in der Welt
Mit Hilfe von Gas halten amerikanische Physiker Laserstrahlen an - Schnelle Schalter im Quantencomputer
von Thomas Bührke
Cambridge - Nichts ist schneller als das Licht. So lehrt es die Relativitätstheorie. Doch gilt dies nur im absoluten Vakuum. Im Innern von Gasen oder festen Körpern verlangsamt sich ein Lichtstrahl und kann auch gänzlich stecken bleiben. Allerdings würde er nie wieder von selbst loslaufen.
Was in der Natur unmöglich ist, gelang jetzt einer Forschergruppe um Mikhail Lukin von der Harvard-Universität in Cambridge (USA), wie sie in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Nature" berichten.
Licht rast mit 300 000 Kilometern pro Sekunde durch ein Vakuum. In Medien wie Glas oder Wasser ist die Lichtgeschwindigkeit zwar nur noch etwa halb so groß, für unser Alltagsleben jedoch nach wie vor unvorstellbar hoch. Einen Lichtstrahl bis auf das Tempo eines Fußgängers abzubremsen gelang erstmals Lukins Institutskollegin Lene Vestergaard Hau im Jahre 1999. Das trickreiche Verfahren erfordert viel Geschick. Zunächst kühlte die Physikerin Natrium-Gas bis nahe an den absoluten Nullpunkt. Normalerweise wäre die winzige Natrium-Wolke für Licht undurchlässig. Hau regte jedoch mit einem Laser die Atome darin so an, dass diese nun einen zweiten Strahl durchließen und erheblich bremsten. Mit anderthalb Kilometer pro Stunde erzielte Hau die bis dahin geringste gemessene Lichtgeschwindigkeit.
Vor zwei Jahren gelang es dann Hau und Lukin unabhängig voneinander, Licht anzuhalten und wieder loslaufen zu lassen. "Lichtbremse" ist wieder ein Gas. In dieses senden die Forscher gleichzeitig zwei Laserstrahlen. Einer von ihnen, der Kontrollstrahl, regt die Atome so an, dass diese den anderen, den Signalstrahl, durchlassen. In dem Moment, in dem beide im Gas sind, wird der Kontrollstrahl abgeschaltet. Sofort wird das Medium für den Signalstrahl undurchsichtig, so dass dieser darin stecken bleibt. Er überträgt aber seinen Zustand auf die Atome, welche die Information eine gewisse Zeit lang speichern. Bevor die Atome ihr "Gedächtnis" verlieren, lesen die Physiker den Atomspeicher wieder aus, in dem sie erneut einen Kontrollstrahl hineinschicken. In diesem Moment entsteht ein neuer Signalstrahl mit den Eigenschaften des ursprünglichen und verlässt das Gas. Lukins jüngstes Experiment läuft in der ersten Phase so ab wie das vor zwei Jahren. Wenn der Signalstrahl im Gas gefangen ist, schicken Lukin und Kollegen aber zwei Laserstrahlen aus entgegengesetzten Richtungen in das Medium hinein.
Die Wellen dieser beiden Strahlen überlagern sich im Innern und bilden ein Gitter aus abwechselnd hellen und dunklen Bereichen. Diese wirken wie winzige Spiegel, zwischen denen der Signalstrahl gefangen bleibt. Dies funktioniert für einige hunderttausendstel Sekunden. Dann schaltet man einen der beiden Laser ab, und der Signalstrahl läuft in Richtung des noch leuchtenden Lasers wieder los. Auf diese Weise lässt sich das Laserlicht auch rückwärts, also entgegen der ursprünglichen Einstrahlrichtung, aus dem Medium wieder herausholen.
In diesem Fall funktioniert das Gas ähnlich wie ein Spiegel. Allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass sich die Aufenthaltsdauer des Lichts im Medium durch Ein- und Ausschalten der Laser kontrollieren lässt. "Das Interessante an diesem neuen Experiment ist, dass man jetzt tatsächlich Licht zum Stillstand gebracht und auf engstem Raum eingesperrt hat. In den Experimenten vor zwei Jahren war "lediglich" der Zustand des Lichts gespeichert", erklärt Professor Michael Fleischhauer, der theoretische Physik an der Universität Kaiserslautern lehrt und zusammen mit Lukin die theoretischen Grundlagen zu diesem Phänomen entwickelt hat.
Prinzipiell besteht die Möglichkeit, diese Methode zu schnellen Schaltern beispielsweise in optischen Datenspeichern oder einem zukünftigen Quantencomputer einzusetzen. "Am wichtigsten ist aber vielleicht, dass es schlicht faszinierende Wissenschaft ist", meint Marlan Scully von der Universität Princeton.
Artikel erschienen am 11. Dez 2003 in der Welt