Zitat von
Joseph Vogl
... dass nach 2008 eine Restaurationsphase eingetreten ist, in der das Finanzsystem genauso arbeitet wie 2006 und 2007, dass momentan noch mehr Umsätze auf diesem Gebiet, auf diesen Märkten gemacht werden, dass die Märkte noch weiter angeschwollen sind und dass es noch mehr Reichtum in noch weniger Händen gibt, und deswegen mehr Schulden, deswegen natürlich auch die steigenden Schuldenpyramiden, deswegen natürlich auch in irgend einer Weise eine Situation, in der der nächste Crash durchaus erkennbar ist. Aber es hat sich auf dem Gebiet der ökonomischen Theorie wenig getan, es sind dieselben klassischen, neoklassischen Modelle, nach denen das System weiter auch an den Universitäten gelehrt wird.
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Was mich an der Finanzökonomie ganz besonders in der letzten Zeit interessiert hat, ist, wie weit werden wir eigentlich durch bestimmte Bedingungen, durch bestimmte Operationen, durch bestimmte Agenten und Akteure auf diesem Gebiet regiert, wie greifen die in unseren Alltag, wie greifen die in die Regierungspolitik ein, wie greifen sie in die Art und Weise ein, wie wir regiert, kontrolliert werden, und zwar von elemantar lebensweltlichen Angelegenheiten bis zu grösseren auch politischen Sachverhalten.
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Heute hat der "Liberalismus", oder auch was man bei uns "Neoliberalismus" nennt, ein zentrales Problem , dass er nicht denken will, dass er nicht denken kann, für dass er keine Antwort hat, weil er die Frage nicht einmal stellt, nämlich wie geht man mit Ungleichheitsfragen um. Das zeigt sich insbesondere auch in dem Rechtsdenken, im liberalen Rechtsdenken. Da gibt es eine elementare Verwerfung im Liberalismus, nämlich dass der Unterschied zwischen formaler Gleichheit und materieller Gleichheit kein zentraler Gegenstand des Liberalismus ist. Vor dem Recht sind alle gleich, aber die Reichtumsverteilung erzeugt Asymmetrien, die Gesellschaften tatsächlich in den Ruin treiben können. Dieser Sachverhalt kann vom Liberalismus nicht gefasst werden und will von ihm auch nicht gefasst werden..
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