Zitat von
Philipp Blom
Ich habe vorhin von der Kulturgeschichte der Technologie gesprochen. Wenn Sie sehen, wie heute das Internet und Handys unsere identität verändert haben. Manche von uns haben eine zweite Persönlichkeit im Internet, einen zweiten Körper, gut er ist eine kleine Animation, aber wie das unseren Informationsaustausch, unsere Nachrichten, unser Verständnis von der Welt verändert. Also auch da der Schub der Technologie, der so viel schneller geht, als wir ihn verstehen können. Wir sind dauernd mit Möglichkeiten konfrontiert, deren Konsequenzen wir noch gar nicht absehen können. Das ist sicherlich etwas. Max Weber hat vor dem ersten Weltkrieg geschrieben, es käme ihm vor, als würde er in einem Schnellzug sitzen und nicht wissen, wohin die Weichen gestellt sind. Ich glaube, auch das ist ein Gefühl, das wir heute nachvollziehen können. Dass wir wissen, es sind alle möglichen enormen Kräfte am Werk, aber wir wissen nicht, wie es in 5 Jahren, sicherlich nicht, wie es in 50 Jahren aussehen wird, wie da die Machtblöcke sind, wo da die grössten Probleme sind. Gleichzeitig gibt es auch wichtige Unterschiede. Ich glaube, die hängen zusammen, sie hängen beide mit Zukunft zusammen. Im Gegensatz zu der Zeit vor 1914, wissen wir genau, welche grossen Probleme auf uns zukommen, wenn Sie an Klimawandel denken, wenn Sie an Migration denken etc.. Wir wissen auch, was wir tun müssten. Wir tun es nur nicht. Es ist alles durchgerechnet, es ist alles wissenschaftlich sehr gut modelliert und verstanden, aber wir ziehen die Konsequenzen nicht daraus, weil es uns noch zu gut geht. Wir haben noch so viel zu verlieren. Wir wollen keine Senkung unseres Lebensstandards, auch wenn es nur ein kleines Bisschen vielleicht ist. Wir wollen also mit anderen Worten, und auch da ist ein Unterschied zu 1914, 1914 war eine Welt, die in die Zukunft explodieren wollte, wir wollen keine Zukunft, wir wollen, dass die Gegenwart nicht aufhört, aber wir wollen um Gottes Willen keine Veränderung. Und deswegen leben wir in so einer seltsamen Zeit der Verhinderung von Zukunft, der Verhinderung von Veränderung. Leider ist das genau das, was die Monarchen um 1914 probiert haben zu tun: Zukunft und Veränderung zu verhindern. Und sie haben uns gezeigt, wenn man versucht, Zukunft zu verhindern, wird sie einen irgendwann einfach überrollen.
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