Florin: Bei den klassischen Streitthemen – Empfängnisverhütung, Homosexualität, Scheidung, Wiederheirat –, würden Sie da sagen: Das ist alles in Ordnung, wenn der Einzelne das mit seinem Gewissen ausgemacht hat?
Lehmann: Kann man natürlich verschieden antworten. Man kann sich darauf berufen, dass man zum Beispiel auch einem irrenden Gewissen folgen muss. Aber die andere Antwort ist sicher für jeden einzelnen Fall differenziert, dass man ohne Rücksicht auf das Gewissen keine Entscheidung treffen kann. Wobei Gewissen heißt, dass natürlich hier auch der Blick auf Bibel und verbindliche Entscheidungen der Kirche eine Rolle spielen und zur Kenntnis genommen werde müssen. Also, wichtig ist einfach: Der letzte Impuls geht von einem selbst aus.
Florin: Das heißt aber zum Beispiel, wenn im Katechismus steht: Praktizierte Homosexualität ist Sünde und das Gewissen des Einzelnen im Katechismus keine Rolle spielt, dann sagen Sie: Das mag der Stand der 80er noch gewesen sein, aber heute sollte es eigentlich anders lauten?
Lehmann: Also, der Katechismus hat da ja auch noch ein paar andere Sätze, wenn er zum Beispiel in einem hohen Maße und mit deutlichen Worten Respekt und Rücksicht fordert gegenüber jedem, der homosexuell ist.
Florin: Sicher, aber es steht ja eben auch drin: Praktizierte Homosexualität ist nicht erlaubt.
Lehmann: Ja, das ist auf der einen Seite natürlich eine äußerst schwierige Frage, wie die Homosexualität auch in den säkularen Wissenschaften erklärten werden kann. Da hat ja niemand eine genauere Antwort. Insofern ist es, glaube ich, auch in jeder Hinsicht voreilig, eine moralistische Verurteilung zu machen.
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